Interrail Woche – 3. Halt Genf – Das CERN und ein Einblick in die Welt der Teilchenphysik

in #wearesteemit6 years ago (edited)

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Grüezi alle miteinander!

Zum Abschluss gibt’s noch den dritten Teil meines Interrail Berichts und unserem Aufenthalt in Genf. Dieser war vor allem geprägt durch den Besuch im CERN, weshalb ich hier ein bisschen in die Welt der Physik eintauchen werde. Es folgt also ein Einblick in das größte wissenschaftliche Projekt im Bereich der Teilchenphysik.

Schon vor unserer Ankunft in Genf wollten wir uns für eine Führung durchs CERN anmelden. Doch keine Chance. Alle Touren in nächster Zeit waren komplett ausgebucht.
Aber egal, vielen Empfehlungen nach zu urteilen, sollte es sich auch sehr lohnen, die beiden gratis Ausstellungen anzusehen.
Nur ein paar Busminuten und man steht schon vor dem Gebäude der Europäischen Organisation für Kernforschung, das sich direkt vor der idyllischen Bergkulisse des Juragebirges befindet. An klaren Tagen ist von hier aus auch der Mont Blanc zu sehen.

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Mit 574 Gebäuden, auf fast 200 Hektar Fläche wirkt es eher wie ein riesiges Unigelände. [4]
Nachdem wir die Ausstellungen besucht haben, die beide gratis zu besichtigen sind und echt total interessant sind, wollten wir uns dann aber doch die Chance nicht entgehen lassen, bei einer Führung dabei zu sein.
Ganz nach dem Motto Fragen kostet nichts hatten wir dann tatsächlich das Glück doch noch eine Führung durch das Forschungszentrum zu bekommen. Und es war echt sehenswert!

Falls sich viele von euch jetzt fragen, was das CERN eigentlich ist und was dort passiert, kommt jetzt die Erklärung dazu und ein kleiner Einblick in die Welt der Teilchenphysik.


Das CERN – der Ausgangspunkt für den Weltuntergang?

Das Cern ist das weltweit größte Forschungszentrum für Teilchenphysik und früher dachte man, dass die Forscher hier mit ihren Experimenten die Welt zerstören könnten. Genauer gesagt mit dem LHC, dem Large Hadron Collider, dem größten Teilchenbeschleuniger der Welt, der 2009 in Betrieb genommen wurde.
Man warnte vor der Entstehung von Schwarzen Löchern, die die Erde komplett verschlingen könnten. Aber die Physiker beruhigten, dass das gar nicht möglich ist und auch bis heute, nach unzähligen Experimenten hat die Welt alles unbeschadet überstanden. [3]

Betritt man das Gelände, merkt man schnell, dass sich hier alles um Physik dreht. Die umliegenden Straßen sind nach bedeutenden Naturwissenschaftlern und Nobelpreisträgern benannt und physikalische Formeln aller Art, wie auf dem Denkmal "Wandering the Immeasurable", findet man hier überall.

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Obwohl alles so ruhig und idyllisch wirkt, werden hier weltbewegende Experimente durchgeführt. Die Forscher beschäftigen sich mit den kleinsten Dingen, die in unserer Welt zu beobachten sind und versuchen mehr über die Teilchen herauszufinden, die etwas über den Aufbau der Materie verraten. Für diesen Zweck wurde der LHC gebaut. Er befindet sich in etwa 100 m Tiefe im Grenzgebiet zwischen Frankreich und der Schweiz und ist 27 km lang. Die Aufgabe des LHC ist, mehr über die Bausteine der Materie und die Vergangenheit unseres Universums herauszufinden. [4]

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Quelle © 2001-2018 CERN: LINK

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Quelle © 2008-2018 CERN: LINK


Was bedeutet der Begriff Materie eigentlich?


Alle Galaxien, Planeten, Sterne, alltägliche Dinge in unserem Leben und auch wir Menschen selbst bestehen aus Materie. Die wiederum besteht ganz grundlegend aus nur drei Teilchenarten: den positiv geladenen Protonen, den elektrisch geladenen Neutronen und den negativ geladenen Elektronen. Protonen und Neutronen ergeben den Atomkern, und die Elektronen bilden die Hülle. Die verschiedenen chemischen Elemente ergeben sich dann durch unterschiedliche Anzahl der Protonen im Kern und die Elektronen verbinden die Atome zu Kristallen oder Biomolekülen.

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Quelle: LINK

Zusammengehalten wird die Materie durch die vier Naturkräfte. Der Gravitation, die wir auf der Erde als Schwerkraft erleben. Auf atomarer Ebene dominiert die elektromagnetische Kraft zwischen positiv geladenen Atomkernen und den negativ geladenen Elektronen.
Wir wissen auch, dass Protonen und Neutronen, zusammenfassend Nukleonen genannt, selbst wieder aus elementaren Teilchen zusammengesetzt sind, den Quarks. Auf dieser nuklearen Ebene wirkt also eine weitere Kraft: die sogenannte Schwache Wechselwirkung, die sowohl die Nukleonen zusammenhält, als auch die Quarks in den Nukleonen.
Die letzte Kraft, die sogenannte Starke Kraft, stellt die Physiker aber noch vor viele Rätsel.
Die Starke Kraft wird durch den Austausch von Teilchen, den Gluonen, vermittelt. Diese Gluonen verbinden die Quarks und es ergeben sich erstaunliche Konsequenzen: je kleiner der Abstand zwischen den Quarks, desto kleiner ist die anziehende Kraft. Ist der Abstand jedoch groß, so ist auch die Kraft zwischen ihnen sehr groß.
Die Quarks können daher nie isoliert auftreten, man spricht von Confinement. Diese Eigenschaft unterscheidet die Quarks von allen anderen Teilchen und gibt ein weiteres rätselhaftes Phänomen auf: Ein Nukleon ist schwerer als die Summe seiner Bestandteile! [1]
Es stellt sich also die Frage, wie sich die Masse der Nukleonen ergibt und woher sie kommt. Genau das versuchen die Forscher am CERN unter anderem herauszufinden.


Der LHC – Rekonstruktion des Urknalls


Zurück also zum Large-Hadron-Collider des CERN. Um mehr über den Aufbau der Materie und den damit verbundenen Teilchen herauszufinden, lassen die Wissenschaftler in dem 27 km langen Ring zwei Teilchenstrahlen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit kreisen und an vier Stationen aufeinanderprallen – und zwar mit so hoher Energie wie sie noch nie in einem anderen Beschleuniger erreicht wurde. Kommt es nun zu einem Zusammenstoß, entstehen dabei Zustände wie kurz nach dem Urknall und es wird auf minimalstem Raum um ein Vielfaches heißer als im Inneren der Sonne. An vier Detektoren (ALICE, ATLAS, LHCb, CMS) werden dann die Zusammenstöße rekonstruiert und verschiedenste Daten ausgewertet.


Source: LINK

Um die Teilchen auf ihrer Bahn zu halten wurden Magnete verwendet und zwar die Stärksten, die bis jetzt hergestellt wurden. Sie werden mit ca. 13 000 Ampere betrieben – die Magnetkabel transportieren also Strom, der dem von mehr als 10 000 Haushalten entspricht!
Damit der Strom verlustfrei fließen kann werden die Kabel auf minus 271,5 Grad Celsius heruntergekühlt, eine Temperatur unter der des Weltraums.
Einer der Detektoren ist der ATLAS Detektor. Er ist 25 m hoch und hat ein Gewicht wie der Eiffelturm. Er funktioniert wie eine große Kamera und zeichnet den Zerfall der Teilchen und deren Spur auf – mit einer Genauigkeit von 50 Mikrometer (entspricht dem Durchmesser eines Haares). [3]


Fragen über Fragen


Mit den Detektoren konnten sehr viele, bis dato unbekannte Teilchen, in Beschleunigungsexperimenten nachgewiesen werden. Daher ist über 30 Jahre schrittweise eine Theorie entstanden, die auf den Gesetzen der speziellen Relativitätstheorie und der Quantentheorie basiert, und heute als „Standardmodell der Teilchen und Wechselwirkungen“ bezeichnet wird.
Doch obwohl dieses Standardmodell nahezu alle bisherigen Beobachtungen der Teilchenphysik erklären kann, reicht es dennoch nicht aus, um unsere Welt vollständig zu beschreiben. Es ist zum einen nicht in der Lage die drei Grundkräfte (starke Wechselwirkung, schwache Wechselwirkung, elektromagnetische Kraft) in einer einzigen Theorie zu vereinen.
Zum anderen tritt ein weiteres Problem des Standardmodells auf, das ich oben bereits erwähnt habe: Woraus ergibt sich die Masse der Teilchen nun jetzt?
Die Teilchen, die die Theorie bereits vorhergesagt hat, dürften eigentlich keine Masse haben. Dies entspricht aber überhaupt nicht den Beobachtungen, bei denen viele der Teilchen aber mit Masse nachgewiesen wurden. Die Erklärung dafür könnte durch das Higgs-Boson gelöst werden. [2]


2012 – Ein neues Teilchen kommt ins Spiel


2012 konnten die Forscher ihren bis jetzt größten Erfolg feiern – ein Teilchen, das bereits viele Jahre zuvor vorausgesagt wurde aber nicht nachgewiesen werden konnte – bist jetzt!
Gemeint ist das sogenannte Higgs-Boson. Seine Masse wurde experimentell mit dem LHC nachgewiesen.
So ganz war das aber nicht die Lösung des Problems der fehlenden Masse aber heute existieren dadurch viele Modelle, die auf den Fundamenten des Standardmodells basieren oder dieses um zusätzliche Dimensionen erweitern. Diese ermöglichen es beispielsweise die drei Grundkräfte zu vereinen. [2]
Welches der Modelle beschreibt die Natur aber am besten und wie kommt die Masse nun wirklich zustande?

Das alles ist noch nicht ganz klar und muss experimentell gemessen werden. Mit dem LHC haben die Physiker zumindest Zugang zu einem bisher unbekannten Energiebereich erhalten und haben dadurch die Möglichkeit viele Theorien zu bestätigen oder zu widerlegen.
Lediglich fünf Prozent des Alls bestehen aus sichtbarer Materie. Der Rest setzt sich aus sogenannter Dunkler Materie und Dunkler Energie zusammen. [2] Die Zukunft der Teilchenphysik hält also bestimmt noch viele Überraschungen und Entdeckungen und vor allem viele neue Fragen bereit!

Albert Einstein hat aus gutem Grund gesagt:

„Das Unverständlichste am Universum ist im Grunde, dass wir es verstehen können.“

Damit hatte er wohl eindeutig recht.


Ich hoffe ich konnte euch die Grundlagen der physikalischen Experimente, die am CERN durchgeführt werden ein bisschen näherbringen. Natürlich habe ich nur an der Oberfläche gekratzt, da das Thema der Teilchenphysik weitaus komplexer ist!

Eine Besichtigung des CERN sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen, wenn man die Möglichkeit dazu hat!
Die Ausstellungen und vor allem die Führung sind total spannend und absolut empfehlenswert!

Bis dann und salü!✌🏼


Quellen:




[1] https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/bausteine/aufbau-der-materie/ [2] http://www.lhc-facts.ch/index.php?page=home [3]https://www.stern.de/panorama/wissen/kosmos/groesster-teilchenbeschleuniger-lhc-der-riese-ruht-3371120.html [4] https://de.wikipedia.org/wiki/CERN

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Liebe Marina,

ich bedanke mich recht herzlich bei dir, da du mir ganz unabsichtlich ein jahrelanges Rätsel erklärt hast: Wieso heißt das Wissenschaftsmagazin "Quarks und Co." wie es heißt?

Nun weiß ich es und kann beruhigt schlafen gehen! grins

Toller Beitrag! Liebe Grüße!

Oh das freut mich dass ich dieses Rätsel, eigentlich unbedacht, gelöst habe :DD
Danke dir und liebe Grüße zurück! :)

Servus,

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