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RE: Nur zur Wahl zu gehen ist zu wenig. Steemit ist mehr!

in #deutsch7 years ago

Dazu verdonnert wird man doch nur als kommunaler Mitarbeiter, oder? Bei uns im Dorf wird man freiwillig Wahlhelfer. Ich mach manchmal, und bei uns haben wir Riesenspaß mit paar Vögeln, die wohl regelmäßig ungültig wählen und dabei schon ganz beachtliche Kunstwerke für die kurze Zeit abliefern, die sie in der Wahlkabine sind.
Aber da Du Dich gut auszukennen scheinst: Wir hatten bezüglich der ungültigen Stimmen eine Diskussion in der Wahlkommission, wodurch sie sich von Nichtwählern unterscheiden. Unser Wahlleiter hat mir damals gesagt, dass ungültige Stimmen nicht in den Pool der Stimmen kommen, für die die Parteien Geld bekommen. Die Nichtwähler hingegen würden einfach proportional zu den gewählten Stimmen hinzugezählt - für die nicht abgegeben Stimmen würden die Parteien also auch die Kopfprämie bekommen.
Das schien mir einleuchtend zu sein für den Grund, seine Stimme besser ungültig zu machen als gar nicht wählen zu gehen.
Ist das Unsinn bzw. stimmt das?

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Sorry, ich habe mich schon zu lange aus dem politischen System verabschiedet, um noch irgendwas über Parteienfinanzierung zu wissen. Nicht zuletzt könnte es sein, dass es da Unterschiede zwischen den Wahlen (Kommunal-, Bundestags-,...) gibt. Also dazu lieber keine Auskunft von mir, bevor ich im Brustton der Überzeugung Blödsinn erzähle.

Aber was die Freiwilligkeit betrifft, die greift eben nur, sofern es ausreichend Freiwillige gibt. Ich war mehrmals freiwillig Wahlhelfer und hatte irgendwann die Nase voll davon, mit welchen Leuten man dabei zusammenzuarbeiten und letztlich für deren Arbeit per Unterschrift zu bürgen hat. Wenn 3/4 der Leute zwangsverpflichtet wurden bringen sie die entsprechende Einstellung mit. Vom stundenlangen Gemaule überhaupt da sitzen zu müssen ganz abgesehen, tun sie dann so, als würde sie der einfache Vorgang, Kreuze anzuschauen und die Zettel auf den entsprechenden Stapel zu legen, völlig überfordern. Umso schlimmer, wenn dann auch noch ein Wahlvorstand dazu kommt, der sich nicht ansatzweise mit seinen Pflichten vertraut gemacht hat und das ganze Procedere in absolutes Chaos ausartet.
Mein letztes Mal als Wahlhelfer war hauptsächlich deswegen das letzte Mal, weil mir am Ende (kurz vor 23 Uhr) sogar egal gewesen wäre, wenn die NSDAP unseren Unterlagen nach die meisten Stimmen bekommen hätte. Gewundert hätte es mich nicht! Nervlich total am Ende hab ich unter Protest meine Unterschrift unter unsere „Auszählung“ gesetzt und dann einfach gehofft, die Umschläge verschwinden in irgendeinem Keller, wo sich niemand jemals wieder drum schert. Wenn das nur in 1/5 der Wahllokale ähnlich läuft könnte man die Wahlergebnisse genausogut auswürfeln.

Zur nächsten Wahl habe ich mich also sehr absichtlich nicht wieder als Wahlhelfer gemeldet, und wurde promt verpflichtet. In wochenlangem Streit mit dem Wahlamt habe ich jede Argumentation getestet, um der Verpflichtung zu entkommen, von „ich war schon so oft freiwillig Wahlhelfer, wie wärs, wenn Sie stattdessen ein paar 61jährige verpflichten, die lt Wahlgesetz bei der nächsten Wahl ohnehin nicht mehr verpflichtet werden dürfen“ bis hin dazu, wie bedenklich ich es finde, dass die Verantwortung für 800-1200 Stimmen Leuten aufgedrückt werden soll, die sehr offen sagen, dass sie nicht willens sind, das Amt gewissenhaft zu erfüllen. Letztlich rausgekommen bin ich aus der Sache aber wohl nur, weil mein letzter Widerspruch zwei Tage vor dem Wahltag war und dem Wahlamt die Zeit nicht mehr reichte, um mir nochmal zu erklären, dass ich trotzdem dazu verpflichtet sei.

Ach Du liebes bisschen ...! Das wusste ich nicht. Ich kann Dir aber leider versichern, dass die Wahlen überall so ablaufen. Bei uns hatte noch nicht mal der Wahlleiter Plan, das war ein zwangsverpflichteter Mitarbeiter aus dem Grünflächenamt, glaube ich. Der hatte richtig schlechte Laune. Die Stimmen wurden nicht geprüft, jeder hat das einfach vorgelesen, weil jeder so schnell wie möglich nach Hause wollte. Wenn ich jedes Mal CDU gesagt hätte statt SPD - hätte keine Sau mitbekommen. Schnell Zettel zusammengepackt und Bierchen trinken. Ob wir dann am Schluss bei dem Riesenformular alles richtig eingetragen hatten - war uns auch jedes Mal ein Rätsel. Seitdem weiß ich: Die Wahlergebnisse kannst Du komplett vergessen, selbst wenn da keiner schmutzige Spielchen macht.
Einziges Highlight waren o.g. nicht gültigen Stimmen oder Wahlzettel mit Erststimme Grün und Zweitstimme NPD. Das hat dann wirklich keiner geglaubt, da wurde nachgeschaut ....

Ich möchte betonen, dass ich es durchaus wichtig finde, mal Wahlhelfer zu sein. Man sollte sich das Procedere mMn unbedingt mal angeschaut haben, und ich hatte auch Wahlen, die wesentlich besser abliefen. Also der Wahlvorstand wusste, was zu tun war, die Leute angeleitet hat und es tatsächlich geereicht hat, 1x auszuzählen und 1x zu kontrollieren und am Ende alle Zahlen zueinander passten. Außerdem besteht natürlich die Gefahr, dass wenn sich jeder „vernünftige Bürger“ vor diesem Amt drückt, sich dort die Extremisten einnisten, die nicht nur aus einer Scheißegal-Einstellung heraus das Ergebnis verfälschen sondern sich gezielt zugunsten einer Partei verzählen.

Ich kann Dir nur beipflichten. Das sollte jeder mal gemacht haben. Es schärft die Augen in Fragen der Macht. Das ist mehr wert als 10 Jahre Staatsbürgerkunde. Ich bin auch nur deshalb hin, weil ich eine Antifa-Tante kannte, die da regelmäßig drin sitzt - der habe ich alles zugetraut. Man muss sich aber nicht für die Wahlkommission melden. Man hat auch als "gewöhnlicher" Bürger das Recht, bei der Auszählung dabei zu sein. Man muss nur vor Schließung des Wahllokals den Wahlleiter darüber informieren und bei Schließung das Wahllokal verlassen. Bei der Auszählung darf man dann dabei sein - d.h. zuschauen.

Stimmt, man muss natürlich nicht unbedingt ein Wahlhelferamt bekleiden, um bei dem Procedere dabei zu sein. Aber wenn man es ohnhin ernsthaft erleben möchte halte ich das für die bessere Option, gibt ja schließlich „Erfrischungsgeld“. ;)
(Relevanter für mich: ich würd wohl ne Krise kriegen, beim Auszählen nur zuschauen zu dürfen, statt mitzuhelfen.)