Im Jahr 1900 fanden Schwammtaucher vor der griechischen Insel Antikythera in einem Schiffswrack dieses Ding.
Es blieb zunächst unberührt, vermutlich ein großes Glück, denn 75 Jahre später analysierte man es mit Röntgenstrahlen, fand Wellen, Zahnräder und Zeiger und stellte fest, dass es sich um eine „Kreuzung“ aus Uhr und Analog-Computer handelt. Untersuchungen des Wracks ergaben, dass das Schiff zwischen 70 und 60 v. Chr. untergegangen sein musste. Plexiglas hatte man in der Antike nicht und mag Holz benutzt haben, aber im übrigen hat der Apparat, der die Konstellationen von Himmelskörpern (und damit die Zeitpunkte von Sonnen- und Mondfinsternissen) berechnen konnte, einst so ausgesehen:
Zahnräder, ein Rechner, aus der Antike! Das war eine Überraschung, die man den ollen Griechen nicht zugetraut hätte. Es folgten viele, viele Untersuchungen, Berechnungen und Rekonstruktionen. Der Wikipedia-Artikel dazu ist im wörtlichen Sinne erschöpfend. [1]
Hier mag eine Graphik des vermuteten Zahnrad-Schemas genügen.
Denn ich will auf etwas anderes hinaus. Darauf nämlich, dass dieser Stand der Technik verlorengegangen war, für viele Jahrhunderte; Auf dieser Höhe war die Menschheit erst wieder in der späten Renaissance. Was dazwischengekommen ist? Der Niedergang des römischen Reiches und das anschließende Mittelalter. Nun streiten sich die Gelehrten (und nicht zuletzt die Ideologen), was der römischen Hochkultur den Garaus machte, deshalb halte ich mich erst recht zurück. Konstatieren können wir, dass erstens die Völkerwanderung stattfand.
Deren Ursachen und Vorgänge waren zweifellos komplex, aber ich denke, wir können doch sagen, dass sehr viele Menschen im weströmischen Reich ein besseres Leben suchten und zunächst wohl auch fanden. Die oben erwähnten Gelehrten fragen sich, wie weit dieser Umzug Ursache, Begleiterscheinung oder Folge des Niedergangs war. Alle drei vielleicht? Egal, ich pfusche ihnen nicht in ihr Handwerk und wende mich dem meinen zu, dem des Ingenieurs. Wenn der eine Katastrophe begutachtet und (noch) nicht weiß, ob ein begleitendes Phänomen ihre Ursache oder ihre Folge war, dann denkt er es als mögliche Ursache mit, denn die tatsächliche will er ja finden und wäre schön doof, vorab Faktoren auszuschließen.
Oben stand „erstens“, hier kommt „zweitens“. Zweitens eroberte eine monotheistische Religion das römische Reich, das Christentum nämlich, und ersetzte den vielfältigen, daher toleranten Götterhimmel der alten Römer. Dass diese Religion dogmatisch war, davon konnten Galilei und Giordano Bruno ein Lied singen. Dogmen ersticken Neugier und Forschung, bei diesem Satz lasse ich es bewenden. Sehen wir uns an, was passiert ist.
Drei Hochkulturen schlossen aneinander an, die ägyptische, die griechische und die römische. Dann kam das Mittelalter, über tausend Jahre „Flatline“. Kein Puls, Patient tot. Gut, ein paar Dombauten... aber bei denen mischten Freimaurer mit, die unter einigen Aspekten vom herrschenden Zeitgeist abwichen. Erst mit der Renaissance begann das Erwachen aus einem langen Winterschlaf.
Machen wir ein Gedankenexperiment, streichen Völkerwanderung, Monotheismus und Mittelalter und lassen die Aufklärung direkt an die Spätantike anschließen. Schnipp, schnapp, 1300 Jahre weg. Halte dich fest.
Nun der spekulative Teil.
Wir hätten im Jahr 800 Krebs und programmierten Zelltod besiegt. Kernfusion würde funktionieren. Im Jahr 900 hätten wir den Warp-Anrieb realisiert und die Galaxis bereist. Ach, zu spekulativ, kein Warp? Ok, wir hätten die Galaxis trotzdem bereist, weil es nichts macht, wenn eine solche Reise hunderte von Jahren dauert. Denn wir wären unsterblich. [2]
Nun gut, dumm gelaufen; wir müssen weiterhin sterben, das Rad der Geschichte können wir nicht zurückdrehen. Aber lernen können wir aus ihr, denn sie wiederholt sich zwar nicht, aber sie reimt sich.
Derzeit zieht es Millionen Wanderer nach Europa, die ein besseres Leben suchen. Keinem von ihnen drehe ich einen Strick; wahrscheinlich handelte ich an ihrer Stelle nicht anders. Aber es hat Folgen.
So viele Menschen, wie Deutschland 2015 aufgenommen hat (890000), erzeugt Afrika binnen einer guten Woche. Die meisten von ihnen bringen eine rückwärtsgewandte monotheistische Religion mit, die in unserer Kulturetage als „Bereicherung“ empfunden wird.
In den Jahren nach 1918 redete man vom „Weltkrieg“; erst ein Vierteljahrhundert später hieß er „der erste“. Vielleicht reden unsere Nachkommen eines Tages von der „ersten Völkerwanderung“.
Vielleicht schreiben sie es aber auch auf Pergament. Bei einem Talglicht.
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Mechanismus_von_Antikythera
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Transhumanismus
Dope!!!! Echt gut und dafür auch noch kurz zusammengefasst! 100% Upvote, bevor ich Voting Pause habe! Wird resteemed! Komm grad nicht dazu, solch Post zu machen...;-) dafür zieh ich deinen auf mein Profil :-D hoffe @originalworks powert was hinzu, weil der Post echt gut ist! Das mit dem Fund war mir zB noch unbekannt! Hatte was über den energiespeicher bundeslade und co...;-)
Steem on! You rock!
Herzlichen Dank, Akasha. Mit der Länge ringe ich jedes Mal; machste's kurz, wird eher ein Mem daraus und der Leser assoziiert sonstwohin. Machste's lang, wird es zwar wasserdichter, strapaziert aber die Aufmerksamkeitsspanne, um die es in der digitalen Häppchenkultur ohnehin schlecht bestellt ist. Der Mittelweg wiederum ist ein fauler Kompromiss. Umso mehr freut mich deine Rückmeldung.
Schreib so viel du magst, solange es so cool ist-Sehr gern! Ich hoffe die anderen finden den auch so klasse (denke aber schon, wenn ich mir deine upvotes ansehe ;-)) Ich folg dir Ma unauffällig und freu Ma auf mehr! Steem on! Immer gern, by the way ;-)
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Sehr gut geschrieben, Harald!
Danke, René. Wie freue ich mich, dich hier wiederzufinden!
Der interessanteste Post den ich bisher lesen durfte. Herrlich ☺️
Grüße
Vielen Dank, so ein Echo motiviert.